01.02.07 Vereinheitlichung von Begriffsbestimmungen, Vorschriften und Praktiken im grenzüberschreitenden Online-Handel / Gemeinsames Europäisches Kaufrecht

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Die nationalen Verbrauchervertragsrechtsregelungen wurden
    2 bereits sehr weitgehend durch EU-Vorgaben angeglichen. Was
    3 in den 80/90iger Jahren des letzten Jahrhunderts mit
    4 mindestharmonisierenden Richtlinien u.a. im Bereich
    5 Haustürgeschäfts, Fernabsatz, AGB und Gewährleistungsrechte
    6 begann, wird in den letzten Jahren als Hemmnis des
    7 grenzüberschreitenden Binnenmarkts angesehen. Durch den
    8 Online-Handel haben grenzüberschreitende Handelsbeziehungen
    9 auch zwischen Unternehmen und Verbrauchern deutlich
    10 zugenommen; allerdings behindert die Unsicherheit über den
    11 exakten Inhalt der vertragsrechtlichen Regelungen und Fragen
    12 der Durchsetzbarkeit der eigenen Rechte bei unzureichender
    13 Harmonisierung insbesondere die Nutzung der neuen
    14 wirtschaftlichen Möglichkeiten durch kleine Unternehmen und
    15 spezialisierte Händler. Daneben können uneinheitliche
    16 Regelungen aber auch zu Verunsicherungen der Verbraucher
    17 führen. Die EU-Kommission verfolgt daher zunehmend das Ziel
    18 einer Vollharmonisierung im Bereich des
    19 Verbrauchervertragsrechts oder gar die Schaffung eines
    20 einheitlichen europäischen Vertragsrechts. So ist auch die
    21 jüngste EU-Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU vom 25.
    22 Oktober 2011 [FN:
    23 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2
    24 011:304:0064:0088:DE:PDF] laut ihrem Art. 4 ausdrücklich mit
    25 dem Ziel der „Maximalharmonisierung“ angetreten.
    26
    27 Gerade, was eine hierüber noch hinausgehende Schaffung eines
    28 komplett vereinheitlichten Vertragsrechts angeht, gibt es
    29 jedoch auch skeptische Stimmen. So wird bereits bezweifelt,
    30 ob tatsächlich abweichende Rechtsregeln und nicht eher
    31 Sprachunterschiede und die Notwendigkeiten entsprechender
    32 Anpassungen, unterschiedliche Verbrauchergewohnheiten oder
    33 divergierende Verwaltungsvorschriften die wesentlichen
    34 Hemmnisse sind.
    35 Daneben büßen die Mitgliedstaaten durch noch weitergehende
    36 Vereinheitlichungen die Möglichkeit ein, auf
    37 Regelungsdefizite flexibel reagieren zu können, und es kann
    38 zu Inkohärenzen zwischen den in Brüssel gesetzten Regelungen
    39 und den inhaltlich weitgehend stimmigen nationalen
    40 Rechtssystemen kommen.
    41
    42 Ein Beispiel für die Schwierigkeit, kohärente Regelungen auf
    43 EU-Ebene zu treffen, ist das Gewährleistungsrecht. Häufig
    44 wird mit besonders verbraucherschützenden Regelungen in
    45 nationalen Gesetzen einem bestimmten Missstand begegnet, der
    46 sich aus dem Zusammenspiel der Summe gesetzlicher Regelungen
    47 dieses Mitgliedstaates ergibt. Da aber in den europäischen
    48 Richtlinien und Verordnungen oft nur einige Vorschriften
    49 einen bestimmten Lebenssachverhalt regeln, kann es leicht zu
    50 Inkohärenzen kommen.
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    52 Aus diesem Grunde ist auch der Verordnungsvorschlag für ein
    53 Gemeinsames Europäisches Kaufrecht [FN: Ratsdokument
    54 15429/11.] beim Deutschen Bundestag auf große Skepsis
    55 gestoßen und in einem Beschluss vom 1. Dezember 2011 als
    56 nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar zurückgewiesen
    57 worden [FN: Die vom Bundestag in der Sitzung vom …
    58 angenommene Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss unter
    59 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/080/1708000.pdf ].
    60 Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, ein Europäisches
    61 Kaufrecht zu schaffen, dass auf freiwilliger Basis auf
    62 grenzüberschreitende Verträge angewendet werden kann, wenn
    63 die Vertragsparteien dies ausdrücklich beschließen. Die
    64 nationalen Rechtsvorschriften über Kaufverträge und sonstige
    65 vom Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht umfasste
    66 Vertragsarten sollten davon unberührt bleiben. Der Deutsche
    67 Bundestag war der Auffassung, dass eine aussagekräftige
    68 Folgenabschätzung über die zu erwartenden rechtlichen
    69 Konsequenzen und faktischen Auswirkungen auf den Markt sowie
    70 auf die Verbraucher vorliegen müsse, ehe EU-Regelungen zum
    71 Vertragsrecht, vor allem zum Kaufrecht, geschaffen werden
    72 sollten. Darüber hinaus sei der Vorschlag der EU-Kommission
    73 mit zahlreichen neuen unbestimmten Rechtsbegriffen behaftet,
    74 die erst einer gerichtlichen Klärung bedürften. Ob hierzu
    75 der Europäische Gerichtshof aufgrund seiner bisherigen
    76 Ausrichtung überhaupt herangezogen werden könnte, sei jedoch
    77 zweifelhaft.