01.02.08 Weiterverkauf von digitalen Werken

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  • 01.02.08 Weiterverkauf von digitalen Werken (Originalversion)

    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Das Verbreitungsrecht an körperlichen Werkexemplaren (wie
    2 CDs, DVDs, Büchern, Software-CD-ROMs) erschöpft sich nach
    3 der gegenwärtigen Rechtslage, wenn das Werk mit Zustimmung
    4 des Urhebers/Rechteinhabers in den Verkehr gebracht wurde.
    5 Körperliche Werke dürfen dann weiterverkauft, verschenkt
    6 oder verliehen werden. Ermöglicht wird dies durch den
    7 Erschöpfungsgrundsatz, der in verschiedenen europäischen
    8 Richtlinien geregelt ist.
    9 Umstritten war bislang die Frage, ob der in europäischen
    10 Richtlinien verankerte Erschöpfungsgrundsatz auch auf
    11 digitale unkörperliche Werke unmittelbar oder analog
    12 anwendbar ist. Hintergrund ist, dass der
    13 Erschöpfungsgrundsatz sich auf das Verbreitungsrecht
    14 bezieht, das nur für körperliche Werke gilt. Die bisherige
    15 Situation führte wegen der Ungleichbehandlung von
    16 körperlichen und unkörperlichen Werken zu unangemessenen
    17 Folgen für die Verbraucher. Aus Sicht der Verbraucher macht
    18 es keinen Unterschied, ob sie beispielsweise ein Buch oder
    19 ein E-Book erwerben. Verbraucher bezahlen für den Erwerb des
    20 Werkes und dafür, dass sie dauerhaft und frei hierüber
    21 verfügen können.
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    23 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun mit seinem
    24 Grundsatzurteil im Juni 2012 entschieden, dass der
    25 Weiterverkauf von Software, die per Download und mit einer
    26 dauerhaften Nutzungslizenz erworben wurde, zulässig ist. Die
    27 Entscheidung des EuGH stärkt die Rechte der Verbraucher und
    28 löst den bisherigen Wertungswiderspruch zwischen
    29 körperlichen und unkörperlichen Werken teilweise auf.
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    31 Zum einen hat der EuGH klargestellt, dass die Veräußerung
    32 von urheberrechtlich geschützten Werken einen Kauf
    33 darstellt, unabhängig davon ob der Urheber/Rechteinhaber
    34 eine Kopie in Form eines Datenträger oder einer Datei zur
    35 Verfügung stellt. Der Erwerber erlangt Eigentum, wenn der
    36 Urheber ihm im Rahmen des Lizenzvertrages ein unbefristetes
    37 Nutzungsrecht einräumt. Zum anderen hat der EuGH
    38 entschieden, dass das Verbreitungsrecht des Urhebers sich
    39 nicht nur erschöpft, wenn er die Software auf CD oder DVD
    40 vermarktet, sondern auch wenn er diese über einen Download
    41 anbietet. Folglich kann nach dem Urteil Software, die per
    42 Download erworben wurde, weiterverkauft werden.
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    44 Der EuGH hat über die Schlussanträge des Generalanwalts des
    45 EuGH hinaus entschieden, dass der Zweiterwerber die Software
    46 auch tatsächlich nutzen kann: Das Herunterladen und die
    47 Nutzung der Software durch den Zweiterwerber wertet der EuGH
    48 als bestimmungsgemäße Benutzung des Programms – ein
    49 Vervielfältigungsrecht muss der Urheber hierfür nicht
    50 einräumen. Der ursprüngliche Käufer muss im Falle des
    51 Weiterverkaufs seine Kopie unbrauchbar machen.
    52 Der EuGH hat mit dem Urteil die Richtlinie zum Rechtsschutz
    53 von Computerprogrammen ausgelegt. Eine unmittelbare
    54 Übertragung des Urteils auf digitale Werke wie zum Beispiel
    55 Musik in Form von MP3 oder eBooks ist daher nicht möglich,
    56 da für diese Werkarten die Richtlinie zur Harmonisierung
    57 bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten
    58 Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gilt. Auch in
    59 dieser Richtlinie ist jedoch der Erschöpfungsgrundsatz
    60 geregelt, so dass in Hinblick auf diese Werkarten
    61 argumentiert wird, dass eine andere als die vom EuGH in
    62 seiner Entscheidung getroffene Auslegung nicht vertretbar
    63 wäre mit dem Ergebnis, dass jegliche digitale Werkarten
    64 weiterverkauft werden dürften.