Papier: 01.02.01 Die Frage des anwendbaren Rechts

Originalversion

1 Der elektronische Handel „boomt“. Verbraucher nutzen gerne
2 die Möglichkeiten, sich im Internet zu informieren und zu
3 kaufen. Unternehmen entdecken den Handel auf elektronischem
4 Wege als ergänzenden oder vielleicht auch präferierten
5 Absatzweg. In Deutschland findet ein großer Anteil des
6 elektronischen Handels zwischen im Inland ansässigen
7 Vertragspartnern statt. Das Internet erlaubt Endverbrauchern
8 aber immer leichter auch den grenzüberschreitenden Einkauf.
9 Für einen grenzüberschreitenden elektronischen Handel werden
10 jedoch auch Bestimmungen zur Feststellung des auf das
11 vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht benötigt.
12 Einheitliche Regeln in der Europäischen Union sollen
13 Klarheit über das anwendbare Recht schaffen und damit den
14 europäischen Binnenmarkt durch grenzüberschreitenden und
15 rechtssicheren Handel fördern.
16 Hierfür gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten mit
17 Ausnahme Dänemarks seit dem 17. Dezember 2009 die Verordnung
18 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
19 Recht ((EG) Nr. 593/2008 (Rom I-Verordnung)). Die Verordnung
20 regelt, welches Recht auf grenzüberschreitende Verträge
21 Anwendung findet. Der Grundsatz der freien Rechtswahl wird
22 dabei weitgehend beibehalten. Dieser wird jedoch bei
23 schwächeren Parteien wie Verbrauchern und Arbeitnehmern
24 eingeschränkt: Die für die schwächere Partei günstigeren
25 Vorschriften etwa ihres Aufenthaltslandes (bei Verbrauchern)
26 kommen dann trotz der Wahl eines anderen Rechts zwingend zur
27 Anwendung, da sie vorrangig zu beachten sind, soweit sie für
28 den Verbraucher günstiger als das gewählte Recht sind.
29
30 In der Rechtsprechung haben sich dennoch zur Auslegung des
31 entsprechenden Art. 6 weiterführende Fragen ergeben. So
32 sieht die Vorschrift vor, dass bei Kauf-, allgemeinen
33 Dienstleistungs- und Pauschalreiseverträgen das Recht des
34 Wohnsitzlandes des Verbrauchers gilt, sofern der Unternehmer
35 seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit „auf irgend eine
36 Weise“ auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausrichtet“
37 und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
38
39 Der EuGH hat in zwei verbundenen Entscheidungen [FN: Pammer
40 C 585/08 und Alpenhof C 144/09:
41 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=834
42 38&doclang=DE&mode=&part=1 ] zu der zuvor wortgleich
43 geltenden Regelung ausgeführt, dass der Begriff „ausrichten“
44 anhand von mehreren Gesichtspunkten zu definieren sei und
45 hat hierzu beispielhaft einige nicht abschließende
46 Anhaltspunkte genannt. [FN: Als mögliche Anhaltspunkte hat
47 das Gericht aufgezählt: den internationalen Charakter der
48 Tätigkeit; die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen
49 Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende
50 niedergelassen ist; die Verwendung einer anderen Sprache
51 oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung
52 des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder
53 Währung mit der Möglichkeit der Buchung und
54 Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache; die Angabe
55 von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl; die Tätigung
56 von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in
57 anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang
58 zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu
59 erleichtern; die Verwendung eines anderen Domänennamens
60 oberster Stufe (=Top Level Domain) als desjenigen des
61 Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden; die
62 Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in
63 verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden
64 zusammensetzt.]
65
66 Es sei mithin Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob
67 diese Anhaltspunkte vorliegen. Die bloße Zugänglichkeit der
68 Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem
69 Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher
70 seinen Wohnsitz hat, sei jedoch nicht ausreichend. Das
71 Gleiche gelte auch für die Angabe einer elektronischen
72 Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer
73 Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der
74 Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise
75 verwendete Sprache und/oder Währung sind. [FN: Siehe Fußnote
76 33.]
77
78 Nach Art. 27 Abs. 1 lit. b der Rom-I-Verordnung ist die EU
79 Kommission verpflichtet, im Rahmen ihres bis zum 17. Juni
80 2013 zu fertigenden Evaluierungsberichts auch eine Bewertung
81 von Art. 6 der Rom-I-Verordnung vorzunehmen. Hierbei soll
82 die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts im Bereich des
83 Verbraucherschutzes berücksichtigt werden.
84
85 Aus verbraucherrechtlicher Sicht sind auch die für die
86 Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit des Datenschutzes
87 maßgeblichen Bestimmungen von großer Bedeutung. [FN: Vgl.
88 zum Stand de lege lata PG Datenschutz, S. ] Die
89 EU-Kommission hat am 25. Januar 2012 einen Entwurf für eine
90 „Datenschutz-Grundverordnung“ vorgestellt. Artikel 3 des
91 Entwurfs regelt die räumliche Anwendbarkeit der
92 Bestimmungen. Artikel 3 Abs. 2 lit. a. sieht u.a. vor, dass
93 der Anwendungsbereich auf nicht in der EU ansässige
94 Datenverarbeiter, z.B. Unternehmen, erstreckt wird, wenn die
95 Datenverarbeitung dazu dient, in der EU ansässigen Personen
96 Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Die mit dieser
97 Bestimmung angestrebte Ausweitung des Schutzes findet in der
98 Diskussion um die Reformvorschläge der EU-Kommission bislang
99 große Zustimmung. Hinsichtlich der gerichtlichen
100 Durchsetzung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat der
101 EuGH entschieden, dass Opfer von mittels des Internet
102 begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen wegen des
103 gesamten entstandenen Schadens die Gerichte ihres
104 Wohnsitzmitgliedstaates anrufen können. [FN: EuGH WRP 2011,
105 1571 ff. – eDate Advertising ]

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Der elektronische Handel „boomt“. Verbraucher nutzen gerne
2 die Möglichkeiten, sich im Internet zu informieren und zu
3 kaufen. Unternehmen entdecken den Handel auf elektronischem
4 Wege als ergänzenden oder vielleicht auch präferierten
5 Absatzweg. In Deutschland findet ein großer Anteil des
6 elektronischen Handels zwischen im Inland ansässigen
7 Vertragspartnern statt. Das Internet erlaubt Endverbrauchern
8 aber immer leichter auch den grenzüberschreitenden Einkauf.
9 Für einen grenzüberschreitenden elektronischen Handel werden
10 jedoch auch Bestimmungen zur Feststellung des auf das
11 vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht benötigt.
12 Einheitliche Regeln in der Europäischen Union sollen
13 Klarheit über das anwendbare Recht schaffen und damit den
14 europäischen Binnenmarkt durch grenzüberschreitenden und
15 rechtssicheren Handel fördern.
16 Hierfür gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten mit
17 Ausnahme Dänemarks seit dem 17. Dezember 2009 die Verordnung
18 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
19 Recht ((EG) Nr. 593/2008 (Rom I-Verordnung)). Die Verordnung
20 regelt, welches Recht auf grenzüberschreitende Verträge
21 Anwendung findet. Der Grundsatz der freien Rechtswahl wird
22 dabei weitgehend beibehalten. Dieser wird jedoch bei
23 schwächeren Parteien wie Verbrauchern und Arbeitnehmern
24 eingeschränkt: Die für die schwächere Partei günstigeren
25 Vorschriften etwa ihres Aufenthaltslandes (bei Verbrauchern)
26 kommen dann trotz der Wahl eines anderen Rechts zwingend zur
27 Anwendung, da sie vorrangig zu beachten sind, soweit sie für
28 den Verbraucher günstiger als das gewählte Recht sind.
29
30 In der Rechtsprechung haben sich dennoch zur Auslegung des
31 entsprechenden Art. 6 weiterführende Fragen ergeben. So
32 sieht die Vorschrift vor, dass bei Kauf-, allgemeinen
33 Dienstleistungs- und Pauschalreiseverträgen das Recht des
34 Wohnsitzlandes des Verbrauchers gilt, sofern der Unternehmer
35 seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit „auf irgend eine
36 Weise“ auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausrichtet“
37 und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
38
39 Der EuGH hat in zwei verbundenen Entscheidungen [FN: Pammer
40 C 585/08 und Alpenhof C 144/09:
41 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=834
42 38&doclang=DE&mode=&part=1 ] zu der zuvor wortgleich
43 geltenden Regelung ausgeführt, dass der Begriff „ausrichten“
44 anhand von mehreren Gesichtspunkten zu definieren sei und
45 hat hierzu beispielhaft einige nicht abschließende
46 Anhaltspunkte genannt. [FN: Als mögliche Anhaltspunkte hat
47 das Gericht aufgezählt: den internationalen Charakter der
48 Tätigkeit; die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen
49 Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende
50 niedergelassen ist; die Verwendung einer anderen Sprache
51 oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung
52 des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder
53 Währung mit der Möglichkeit der Buchung und
54 Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache; die Angabe
55 von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl; die Tätigung
56 von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in
57 anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang
58 zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu
59 erleichtern; die Verwendung eines anderen Domänennamens
60 oberster Stufe (=Top Level Domain) als desjenigen des
61 Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden; die
62 Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in
63 verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden
64 zusammensetzt.]
65
66 Es sei mithin Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob
67 diese Anhaltspunkte vorliegen. Die bloße Zugänglichkeit der
68 Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem
69 Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher
70 seinen Wohnsitz hat, sei jedoch nicht ausreichend. Das
71 Gleiche gelte auch für die Angabe einer elektronischen
72 Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer
73 Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der
74 Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise
75 verwendete Sprache und/oder Währung sind. [FN: Siehe Fußnote
76 33.]
77
78 Nach Art. 27 Abs. 1 lit. b der Rom-I-Verordnung ist die EU
79 Kommission verpflichtet, im Rahmen ihres bis zum 17. Juni
80 2013 zu fertigenden Evaluierungsberichts auch eine Bewertung
81 von Art. 6 der Rom-I-Verordnung vorzunehmen. Hierbei soll
82 die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts im Bereich des
83 Verbraucherschutzes berücksichtigt werden.
84
85 Aus verbraucherrechtlicher Sicht sind auch die für die
86 Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit des Datenschutzes
87 maßgeblichen Bestimmungen von großer Bedeutung. [FN: Vgl.
88 zum Stand de lege lata PG Datenschutz, S. ] Die
89 EU-Kommission hat am 25. Januar 2012 einen Entwurf für eine
90 „Datenschutz-Grundverordnung“ vorgestellt. Artikel 3 des
91 Entwurfs regelt die räumliche Anwendbarkeit der
92 Bestimmungen. Artikel 3 Abs. 2 lit. a. sieht u.a. vor, dass
93 der Anwendungsbereich auf nicht in der EU ansässige
94 Datenverarbeiter, z.B. Unternehmen, erstreckt wird, wenn die
95 Datenverarbeitung dazu dient, in der EU ansässigen Personen
96 Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Die mit dieser
97 Bestimmung angestrebte Ausweitung des Schutzes findet in der
98 Diskussion um die Reformvorschläge der EU-Kommission bislang
99 große Zustimmung. Hinsichtlich der gerichtlichen
100 Durchsetzung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat der
101 EuGH entschieden, dass Opfer von mittels des Internet
102 begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen wegen des
103 gesamten entstandenen Schadens die Gerichte ihres
104 Wohnsitzmitgliedstaates anrufen können. [FN: EuGH WRP 2011,
105 1571 ff. – eDate Advertising ]

Vorschlag

  1. Bewerten Sie die Original- und die eingebrachten Versionen eines Papiers, indem Sie über die Pfeile Ihre Zustimmung (hoch) oder Ablehnung (runter) ausdrücken. Sie können dabei auch mehreren Versionen zustimmen oder diese ablehnen.

  2. Wählen Sie, ob Änderungen im Vergleich zur Originalversion hervorgehoben werden sollen.

  3. Sie können hier auch eine neue Version des Papiers einbringen.